Rumänien, Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Italien

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NiesiausBo
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Rumänien, Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Italien

Beitrag von NiesiausBo »

Hallo zusammen,

in den Herbstferien war es mal wieder so weit und ich unternahm mit meinen Rovern (Pfadfinder zwischen 16 und 21 Jahren), eine 10-Tagestour. Nachdem wir in den letzten Jahren schon in Irland, Schweden, Kanada/USA und in England waren, überlegten wir uns, wo es diesmal hingehen sollte.
Zur Auswahl standen:
- Schottland (mit dem Mietwagen durch die Highlands)
- Deutschland (einfach drauf los fahren)
- Polen
- Moldawien/Ukraine

Nach kurzer Diskussion entschied sich die Gruppe für letztere Variante und so ging es am Montag, den 11. Oktober los.
Wir flogen mit Wizzair von Dortmund nach Bukarest-Baneasa mit Wizzair.

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Wir kamen Nachmittags am Flughafen an, fuhren mit dem Taxi zu unserem Hostel in die Innenstadt (40 Lei (ca.8,50€) pro Taxi nach intensiver Verhandlung) und machten uns dann auf um den ersten Abend in der Altstadt zu verbringen.
Wir fanden eine nette Kneipe (Oktoberfest) und nach einem leckeren einheimischen Essen und ein paar Meter Bier (8 große Bier für 6€) ging es dann per Taxi wieder zurück ins Hostel.

Am nächsten Tag schauten wir uns Bukarest an, die fünftgrößte Stadt der EU.
Bekannt sind vor allem der Präsidentenpalast (zweitgrößtes Gebäude der Welt, direkt nach dem Pentagon), der Triumphbogen, aber auch die unglaublich großen Boulevards).
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Am Abend verließen wir dann Bukarest und nahmen den Torpedo Tours - Bus nach Chisinau.
Die Fahrt war für die kurze Strecke recht lang (etwa 12 Stunden für unter 500 km), aber mit ca. 14 Euro auch recht günstig.
Nach einem kleinen Trinkgeld für den Busfahrer, hielt der auch immer gerne an, wenn wir mal aufs Klo mussten - so konnten wir bei Dosenbier und Brot und deftiger rumänischer Wurst die Busfahrt halbwegs genießen.

Gegen 6 Uhr kamen wir in der moldawischen Hauptstadt an.
Wir gingen zunächst zum Hostel, durften dort unsere Taschen lassen, die Zimmer aber erst ab 12 Uhr beziehen.
Die Morgenstunden verbrachten wir zunächst im nahen Mc Donalds, entschieden uns dann aber -trotz unserer Müdigkeit- uns Chisinau ein wenig anzuschauen. Sicherlich gibt es in Chisinau nicht ganz so tolle Sehenswürdigkeiten wie in anderen Hauptstädten, interessant ist die Stadt aber allemal. Gerade die Märkte (ob Lebensmittel, Kunsthandwerk oder jeglicher Kram) laden zum schauen und staunen ein. Einige Parks, Kirchen oder der Präsidentenpalast lohnen ebenfalls einen genaueren Blick auf die Stadt zu werfen.

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Der nächste Tag wurde dann zum Glücksfall für uns.
An diesem Tag fand das Stadtfest von Chisinau an. Auf einem etwa 5 km langen Boulevard waren diverse Stände, Bühnen usw. aufgebaut. Man konnte sich traditionelle Tänze, Musikvorführungen, Konzerte usw. anschauen. Dazu hatten Bauern Stände mit traditionellem Essen aufgebaut und am Abend fand dann noch ein riesiges Pop/Rock-Konzert auf dem Hauptplatz der Stadt statt. Selbst die Scorpions waren vor Ort :)

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Am Freitag trennten wir die Gruppe dann.
Der eine Teil (Mein Mitleiter und der größte Teil der Gruppe) fuhren zu einer berühmten Klosteranlage.
Der andere Teil (die über 18-jährigen und ich) fuhren in die abtrünnige Provinz Transnistrien.

Transnistrien liegt im Osten des Landes, ist völkerrechtlich Teil Moldawiens, seit 1991 herrscht dort aber ein pro-russisches de-facto Regime unter der autokratischen Herrschaft von Igor Smirnov.
Prinzipiell kann man Transnistrien als eigenen Staat (Grenzkontrollen, eigene Währung, eigenes Parlament (der oberste Soviet) etc.) ansehen. Das Land wir aber von keinem anderen Staat der Welt anerkannt.
Wir wurden vor der Einreise gewarnt, dass wir dort lieber nicht hinfahren sollten, da es bei der Ausreise bei westlichen Reisen oft zu Problemen kommt; wir wollten es aber doch versuchen.
Zur Sicherheit ließ ich aber nur die über 18-jährigen mitfahren.
Wir fuhren mit dem Bus von Chisinau nach Tiraspol. Nach doch sehr, sehr seltsamer Grenzkontrolle, bei der alle äußerst nervös waren, kamen wir in der Hauptstadt Transnistriens an.

Tiraspol selbst hat absolut wenig zu bieten. Aber dennoch ist es wahnsinnig interessant.
Die Straßen werden ständig mit Musik und Propaganda beschallt. Es stehen überall sovietische Ehrenmahle herum. Es gibt Statuen des Präsidenten. Es gibt einsatzbereite Panzer, da ein Angriff Moldawiens befürchtet wird.... Alles sehr trostlos.
Das Geld was man dort bekommt, kann man entweder dort ausgeben oder man kann es als Souvenir behalten.
Hier mal ein Bild des obersten Soviets mit der Statue Lenins, allerdings nicht selbst gemacht, da man uns das Mitbringen von Kameras oder Handys und das fotographieren im Allgemeinen nicht empfahl.

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Wer mehr über Transnistrien erfahren möchte, dem empfehle ich folgende Artikel:
http://www.welt.de/reise/article5272458 ... union.html
http://www.geo.de/GEO/kultur/gesellschaft/51392.html

Am spannensten war natürlich der Rückweg nach Chisinau. Wie würden wir über die Grenze kommen???
Kurz und gut: Die Grenze war kein Problem, man ließ uns einfach rüber... und das ohne Bestechungsgeld.
Viel spannender war unser Maxi-Taxi-Fahrer.
1. Ereignis: Er schrie jeden Passanten (und davon gibt es selbst in Transnistrien recht viele) an, ob er nicht nach Chisinau wolle.
2. Ereignis: Kurz vor der Grenze war Benzin alle. Also sprang der Fahrer aus dem Wagen, schmiss sich vor einen entgegenkommenden LKW, der glücklicherweise über funktionierende Bremsen verfügte und nötigte ihn uns zur nächsten Tankstelle zu fahren. Das benutze Abschleppseil ließ darauf schließen, dass er diese Methode schon perfektioniert hatte und täglich (?) anwandte.
3. Ereignis: Irgendwann fand er heraus, dass wir aus Deutschland kamen, schmiss das Schild mit der Aufschrift "Chisinau" auf den Boden und schrie: TODAY NO CHISINAU, TODAY FRANKFURT AM MAIN
4. Ereignis: Überholen will gelernt sein. Irgendwo auf einer moldawischen Landstraße, begann er zu überholen, leider kam uns gerade ein Auto entgegen. Es war knapp sehr knapp. Vielleicht hätte noch ein Blatt Papier dazwischen gepasst. Selbst der Fahrer erlitt einen Schock. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass das Auto nicht über Anschnallgurte etc. verfügte.
5. Ereignis: In Chisinau angekommen wollte der Fahrer an einer Ampel mit einem Kollegen reden, der rechts neben uns stand. Er bat einen meiner Rover das Fenster runter zu kurbeln. Nach dem Gespräch sollte dieser es wieder hoch kurbeln, musste dafür aber aufstehen. Plötzlich sah der Fahrer die Polizei, zeigte unserem Rover, dass er sich schnell setzen solle und fing an zu singen:
"Eins, zwei Polizei, drei,vier..." - weiter konnte er nicht.

Nachdem wir uns von dem ganzen Tag im Hostel ausgeruht hatten, ging es dann zum Abendessen zu Andys Pizza. Unsere Rückkehr musste natürlich gefeiert werden und so bestellten wir mit 7 Leuten: 1 Flasche Wein, ca. 10 Bier, 2 Flaschen Champagner, 5 Pizzen, 2 Nudelgerichte, diverse andere Vorspeisen, min. 10 Flaschen Wasser und andere Getränke. Dann kam die Rechnung: 7 Euro pro Person. So ist Moldawien :)

Am nächsten Tag fuhren wir dann nach Odessa in die Ukraine.
Odessa ist von allen bisher angefahrenen Orten am touristischsten, aber trotzdem sehr schön

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Highlight war sicherlich ein Ausflug zum Schwarzen Meer (Straßenbahn, ca. 30 Minuten Fahrt, 0,09€).

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Auch alte sovietische Denkmäler gab es noch zu sehen.

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Nachdem wir im Stadtzentrum zurück waren, schauten wir uns dann noch den Markt an. Dieser ist wirklich unglaublich groß und es gibt einfach alles. Von ganz armen Bäuerinnen, die ein paar Stangen Sellerie verkaufen bis hin zu jeglicher Art von Fisch, Fleisch, Kleidung, Spielzeug, Fahrrädern etc. Ein unbedingtes Muss!

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Am nächsten Tag folgte dann der spannenste Teil unserer Reise. Wir wollten zurück nach Bukarest. Im Hostel haben wir dann noch zwei Kanadier kennen gelernt, die ebenfalls nach Bukarest wollten. Wir fuhren zusammen in den Südwesten der Ukraine. Von dort sollte ein Bus nach Rumänien fahren. Dem war aber nicht so.
Wir lernten einen Anwalt im Bus in den Südwesten kennen, der dann versuchte uns zurück in die EU zu bekommen.
Nach einigen Telefonaten war es dann auch geschafft.
Wir gaben dem Busfahrer ein wenig "Trinkgeld" und er fuhr einen kleinen Umweg. Dort warteten bereits Mitarbeiter des Anwalts. Diese hatten organisiert, dann ein weiterer Bus ebenfalls einen Umweg fuhr und uns dort einsammelte.
Dieser Bus fuhr dann zu seinem Endpunkt, wo ein "Kollege" des Anwalts wartete "der die Grenzer kannte".
Nun vermittelte dieser uns weiter und wir landeten in einer alten Russischen Kneipe, wo ein paar weitere Männer auf uns warteten.
Diese hatten ein großes Auto organisiert, welches uns über Moldawien nach Rumänien bringen sollte.
Doch die Verhandlungen über den Preis waren nicht so einfach. Nachdem ich einen relativ guten Preis für uns und die Kanadier erzielen konnte, ging es raus aus der Kneipe, das Auto fuhr vor, Koffer rein, wir rein - los gings.
Ich kann euch sagen, es war sehr spannend, doch nach ca. 2 Stunden Fahrt sind wir an einem Bahnhof in Ostrumänien angekommen.

Direkt neben dem Bahnhof lag ein italienisches Restaurant, in dem wir uns erst einmal stärken konnte. Der freundliche Kellner brachte uns dann noch zum Bahnhof und organisierte uns dort einen beheizten Warteraum, in dem wir übernachten konnten.

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Am nächsten Morgen ging es dann wieder nach Bukarest.

Den Tag verbrachten wir damit, dass wir den Schlaf nachholten, der uns im rumänischen Bahnhof nicht ganz glückte.
Danach ging es dann Essen und zum Trinken ins Oktoberfest, wo wir unseren letzten Abend ausklingen ließen.

Am nächsten Tag ging es dann zurück, zum dreckigsten und schäbigsten Flughafen den ich kenne, Bukarest-Baneasa.

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Mit Wizzair ging es nach Venedig, wo wir noch ein paar Stunden Zeit hatten uns die Stadt anzuschauen.

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Am Abend ging es dann mit Ryanair zurück nach Weeze, wo wir kurz nach 23 Uhr wieder ankamen.

Ein toller Tripp ging somit zu Ende. Wir haben unglaublich viel erlebt, einige tolle Dinge erlebt, waren aber vor Allem von der Offenheit der Menschen begeistert. Es ist faszinierend zu erleben, dass man bsp. im Bus sich 1 Stunde lang unterhalten kann ohne dass man selbst rumänisch oder russisch, bzw. der gegenüber eine westliche Sprache spicht. Trotzdem versteht man unglaublich viel, wenn man sich ein wenig Mühe gibt.
Etwas exotisch ist es natürlich schon, aber wer sich auf so ein Abenteuer einlässt, wird belohnt.
Zuletzt geändert von NiesiausBo am Samstag 6. November 2010, 18:08, insgesamt 1-mal geändert.
Besser günstig fliegen, als teuer fahren!

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heinz-w
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Re: Rumänien, Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Italien

Beitrag von heinz-w »

Klasse Report.
Danke für die eindrucksvolle Schilderung der abenteuerlichen Erlebnisse.
®uud
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Re: Rumänien, Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Italien

Beitrag von ®uud »

@ NiesiausBo

na ja, Ferien :roll:
Abenteuer pur. 8)

Schöner Bericht
Grüsse,
Ruud
wolke7
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Re: Rumänien, Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Italien

Beitrag von wolke7 »

@ Niesi

Danke für diesen wieder einmal außergwöhnlichen und spannend abenteuerlichen Reisebericht! Da bekommt die EU-Reisefreiheit (selbst mit strengsten Personen- und Gepäckskontrollen an Flughäfen) eine noch höhere Wertschätzung.

Transnistrien: Dieses „Staatsgebiet“ habe ich auf der Landkarte nun erst mal entdeckt. Und was du darüber berichtest, mutet äußerst befremdlich an!
Und was die Rückreise nach Bukarest aus der Ukraine betrifft, sieht das nach organisiertem Verschiebebahnhof aus; rein zufällig hat der von dir geschilderte Ablauf sicherlich nicht stattgefunden, oder?

Grüße
wolke7
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01.11.2015 A6-EOB DUS-DXB
KarlNRN
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Re: Rumänien, Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Italien

Beitrag von KarlNRN »

Hallo NiesiausBo.

Ich glaubte dir schon geantwortet zu haben, aber irgendwie scheint mir die Technik
einen Streich gespielt zu haben? :? Ich weis auch nicht mehr, was ich geschrieben habe?
Ist auch egal. Möchte dir noch mal sagen >>> wie immer<<< ein Perfekter Trieb Report,
mit sehr vielen guten Informationen, und Interesanten Bildern. Danke dafür!!!

KarlNRN :wink:
Joe Cool
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Registriert: Dienstag 19. Oktober 2004, 08:48

Re: Rumänien, Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Italien

Beitrag von Joe Cool »

Mut habt Ihr ja, echt Respekt .....

Der Bericht ist absolut lesenswert, um ehrlich zu sein, ich hätte stellenweise "die Hose voll" gehabt, zumal ich auch nicht wirklich der riskikofreudige Mensch bin....

Gruß

Joe


Es gibt zwei Dinge, die unendlich sind: Das Universum und die menschliche Dummheit.

Rolf
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Re: Rumänien, Moldawien, Transnistrien, Ukraine, Italien

Beitrag von Rolf »

Hey Joe, Motorrad fahren ist bestimmt gefährlicher als so eine Reise. Ich war auch schon oft auf dem Balkan, und ich kann dem Fazit des tollen Berichts nur zustimmer: Absolut sehenswert. Odessa hat mir von den genannten Zielen (nach Venedig natürlich) am besten gefallen. Die Ukraine lohnt sehr. So abenteuerlich ist das nun wirklich nicht. In Asien, Südamerika und Afrika habe ich ganz andere Sachen erlebt.
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