AirBerlin greift nach TUIfly

Was sich an anderen Flughäfen in Deutschland & Europa sonst noch so tut.
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Martin
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AirBerlin greift nach TUIfly

Beitrag von Martin »

Rheinische Post hat geschrieben:AirBerlin greift nach TUIfly
Überraschend verschafft sich Air-Berlin-Chef Joachim Hunold Einfluss bei der angeschlagenen TUIfly. Mit einer geschickt ausgetüftelten Überkreuz-Beteiligung sichert er sich die Filetstücke, während die Risiken bei TUI bleiben.
VON THOMAS REISENER

Düsseldorf Der aktuellen Luftfahrt-Krise zum Trotz treibt Air-Berlin-Chef Joachim Hunold die überfällige Konsolidierung der Branche in Deutschland voran. Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft will sich mit bis zu 20 Prozent an dem kränkelnden Ferienflieger TUIfly beteiligen. Die Londoner TUI Travel, in der der einstige Dax-Konzern TUI sein Fluggeschäft gebündelt hat, soll im Gegenzug denselben Anteil an Air Berlin kaufen.

Air Berlin will das Geschäft, das noch unter dem Vorbehalt des Kartellamtes und der Aufsichtsräte steht, mit einer Kapitalerhöhung verknüpfen. Die Hauptversammlung hatte dem Vorstand hierfür 100 Millionen Euro als Limit gesetzt. Unternehmenskreisen zufolge soll die Kapitalerhöhung aber deutlich geringer ausfallen.

Obwohl eine solche Kapitalerhöhung das Vermögen der Aktionäre verwässert, und obwohl TUIfly seit Jahren Verluste einfliegt, hat die Börse Hunolds neuesten Coup gestern gefeiert. Die Aktie kletterte zeitweise um mehr als zehn Prozent, gab die Gewinne danach aber im Sog eines schwachen Gesamtmarktes wieder ab.

Im vergangenen Jahr hatte schon die Lufthansa versucht, ihre Billigflug-Tochter Germanwings mit TUIfly zu verheiraten. Die Pläne sind gescheitert. Wie es aus Kreisen des Lufthansa-Konzerns heißt, hat Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber beim Blick in die TUIfly-Bücher abgewunken: TUIfly hatte zuletzt so schlechte Zahlen vorgelegt, dass die Flugtochter dem ganzen TUI-Konzern die Bilanz verhagelt hat.

„Das ist wahrlich keine schöne Braut“, urteilt dann auch der Luftfahrt-Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Dennoch kann er dem Deal überwiegend positive Seiten abgewinnen, „denn Air Berlin pickt sich ja ganz gezielt die Filetstücke heraus.“ Im Detail funktioniert die neue Air-Berlin-TUIfly-Kooperation nämlich so: Air Berlin übernimmt die europäischen Stadt-Verbindungen von TUIfly, während das Charter-Geschäft komplett bei TUI bleibt. Für die Stadtverbindungen übernimmt Air Berlin die TUIfly-Flugzeuge samt Besatzung im so genannten wet-leasing-Verfahren: Bei dieser Spezialform des Ausleihens bleiben die aktuellen TUI-Tarifverträge für das Personal gültig. „Die Verantwortung für die Arbeitnehmer bleibt komplett bei TUIfly“, betonte ein Air-Berlin-Sprecher gestern gegenüber unserer Zeitung.

Air Berlin habe sich vor allem für die traditionell starken TUIfly-Standorte Köln, Stuttgart und Italien interessiert, so der Sprecher. Air Berlin selbst hatte seinen Schwerpunkt bislang im spanischen Raum. „Mit den neuen TUI-fly-Strecken ist unser Streckennetz in Europa jetzt noch stärker als bisher“, so der Air-Berlin-Sprecher.

Dass Air Berlin die Überkreuzbeteiligung mit TUIfly zum Abbau von Personal und Strecken nutzen werde, wollte der Sprecher „langfristig nicht ausschließen“. Das habe bei den Plänen „nicht oberste Priorität“ gehabt. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Belastungen für die TUIfly-Belegschaft aber kleiner, als die es nach dem geplatzten Deal mit Germanwings befürchten musste. Beobachter vermuten, dass die neue Kooperation bei Air Berlin schon im kommenden Jahr zum Gewinn beitragen wird. Der Umsatzsprung wird auf 380 Millionen Euro geschätzt.

- /THOMAS REISENER

Quelle:
Verlag: Rheinische Post Verlagsgesellschaft mbH
Publikation: Rheinische Post Kevelaer
Ausgabe: Nr.65
Datum: Mittwoch, den 18. März 2009
Seite: Nr.17
Martin
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Re: AirBerlin greift nach TUIfly

Beitrag von Martin »

ftd.de hat geschrieben:Hunolds Wette

Durch die geplante Überkreuzbeteiligung mit TUIfly bekommt Air Berlin zwar wieder einen stabilen Großaktionär. Doch der Deal funktioniert nur unter einer Bedingung: Dass die Wirtschaftskrise schnell vorbeizieht.

Einen Vorteil hat das Bündnis mit dem Wettbewerber TUIfly für Air-Berlin-Chef Joachim Hunold in jedem Fall: Mit der geplanten Überkreuzbeteiligung rüstet sich Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft gegen eine feindliche Übernahme. Hunold, der sich stets in der Rolle des Angreifers inszeniert hat, bleibt damit eine unangenehme Niederlage erspart. Zuletzt war sein Unternehmen auf den Rang eines Übernahmekandidaten abgestürzt.

In Gestalt der TUI-Tochter TUI Travel bekommt Air Berlin jetzt einen stabilen Großaktionär. Solange der neue 20-Prozent-Eigentümer mit Hunold verbündet ist, wird sich kaum ein Angreifer an die Fluggesellschaft heranwagen. TUIfly eignet sich somit als Giftpille für Air Berlin.

Zudem nutzt Hunold seine letzte Expansionschance auf dem Heimatmarkt. Er sichert sich damit den Zugriff auf attraktive Städteverbindungen eines Wettbewerbers, der Air Berlin auf diesem Gebiet mit aggressiven Preisen Konkurrenz machte.

Trotz allem aber birgt der Deal Risiken. Funktionieren kann die Kooperation zweier angeschlagener Airlines nur unter einer Bedingung: Die Wirtschaftskrise muss rasch vorübergehen.

Sowohl Air Berlin als auch der neue Partner TUIfly, der Branchenschätzungen zufolge seit Langem rote Zahlen schreibt, sind von der Rezession schwer erwischt worden. Die Buchungen bei Geschäftsreisen sind zuletzt deutlich zurückgegangen, und auch die Nachfrage nach Urlaubsflügen sinkt spürbar. In einem solchen Umfeld ist die einzige betriebswirtschaftlich sinnvolle Reaktion, Kapazitäten aus dem Markt zu nehmen. Das bedeutet, Strecken zu streichen und Flugzeuge stillzulegen - was Air Berlin bereits getan hat. Zudem denkt die Airline ebenso über Kurzarbeit nach wie der TUIfly-Mutterkonzern TUI.

Die Vereinbarung, wonach Air Berlin Maschinen und Besatzungen von TUIfly mietet, läuft aber gerade nicht darauf hinaus, dass Kapazitäten reduziert werden. Auch kann der größte Lufthansa-Rivale aus diesem Geschäft nur äußerst überschaubare Synergieeffekte erwarten.

Für Air-Berlin-Chef Hunold, der mit TUIfly nach der Übernahme von LTU und DBA nun die dritte Integration umsetzen muss, ist das Geschäft eine Wette. Erreichen die Passagierzahlen bald wieder die Größenordnung aus der Zeit vor der Rezession, dann kann diese Wette aufgehen. Wenn nicht, werden die Turbulenzen heftiger.
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