Billigflieger in der Kostenfalle

Hier kann über Ryanair, Malta Air (Homecarrier am Airport Weeze) sowie weiteren Airlines aus der Ryanair Holding diskutiert werden.
Here you can discuss about Ryanair, Malta Air (home carrier at Weeze Airport) as well as other airlines from the Ryanair Holding.

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Marek
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Billigflieger in der Kostenfalle

Beitrag von Marek »

Billigflieger in der Kostenfalle

Sie haben unser Leben verändert: die Billigflieger. Doch das Geschäftsmodell wankt. Ölpreis und Steuern fordern ihren Tribut von den Fluglinien. Jetzt wankt selbst der Branchenpionier.

Düsseldorf. Vergangenen Dienstag war die blau-gelbe Ryanair-Welt noch in Ordnung. Mit Bikini-Mädchen, Flamenco-Paar und Riesenkuchen herzte Michael O'Leary auf dem Bremer Flughafen den 60-millionsten Passagier in Deutschland. Ein Auftritt ganz nach dem Geschmack des umtriebigen Billigflieger-Königs.

Die Ernüchterung kam knapp eine Woche später an der Börse in Dublin. Die Ryanair-Aktie stürzte heute um mehr als neun Prozent auf 3,25 Euro ab. Die Antwort der Anleger auf die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres, die Firmenchef O'Leary kurz zuvor bekanntgegeben hatte.

Dabei können sich die Ergebnisse auf den ersten Blick sehen lassen. Ryanair steigerte den Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent auf 401 Millionen Euro. Auch der Umsatz legte deutlich zu, um 21 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro. Doch Commerzbank-Analyst Johannes Braun kippt Wasser in den Wein: "Die Zahlen sind okay, aber der Fokus liegt auf dem Ausblick".

Und der ist einigermaßen mau: Erstmals in der Unternehmensgeschichte will Ryanair Kapazitäten kappen und im Winter 80 von 300 Maschinen am Boden lassen. Das Wachstum der Zahl der Flüge werde sich im kommenden Jahr von acht auf vier Prozent halbieren, rechnen die Iren. Gleichzeitig stiegen die Kosten um 13 Prozent, der Umsatz werde nicht zulegen. Schuld daran sei vor allem der hohe Ölpreis.
Das ist noch gar nichts im Vergleich zur Konkurrenz: Easyjet verdoppelte im ersten Halbjahr den Verlust auf 153 Millionen Euro, Air Berlin rutschte zu Jahresanfang tiefer in die roten Zahlen. Die Zeiten für die Billigheimer sind rau geworden.

Treibstoffkosten, die neue deutsche Luftverkehrsabgabe und die drohende Einbeziehung des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel spielen ihnen übel mit. Der weltweite Branchenverband IATA warnte vor "gravierenden Folgen" des hohen Ölpreises. Allein die neue Steuer in Deutschland drückte laut Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Zahl der Lowcost-Flüge zu Jahresbeginn um 1,4 Prozent. "Harte Nüsse" seien das, sagt Ralf Baron, Partner und Luftfahrtexperte bei der Unternehmensberatung Arthur D. Little. "Das Marktwachstum wird sich damit weiter abschwächen, da ein Teil der Kunden auf andere Verkehrsmittel wechseln und bei diesen bleiben wird."

"Die Billigflieger stecken in der Klemme"
Es ist ein Dilemma: Die Billigflieger müssen die steigenden Kosten irgendwie wieder reinholen, gleichzeitig müssen sie ihre Preise attraktiv halten, um die klassische Konkurrenz auszustechen. "Wenn jemand 2000 Euro für ein Ticket bezahlt, macht ihm ein Zuschlag von 100 Euro vermutlich wenig aus", sagt Per-Ola Hellgren, Luftfahrt-Analyst bei der LBBW. Koste das Ticket aber statt 50 plötzlich 150 Euro, sei das eine ganz andere Hausnummer.

Also versuchen die Billig-Airlines in ihrer Not einen Trick: Der Grundpreis bleibt niedrig, dafür kommen immer neue Zuschläge obendrauf. 50 Euro Strafe für Easyjet-Passagiere mit zu großem Handgepäck. Zwei Euro Verspätungsgebühr für spätere Entschädigungen bei Ryanair. Ein Obolus von bis zu 16 Euro für die Zahlung mit Kreditkarte. Kosten für eine Namensänderung auf dem Ticket von 150 Euro. Angebote von Versicherungen, Koffersets und Mietwagen, die man erst mühsam wegklicken muss. Einen anderen Weg ging Germanwings: Der Mindestpreis kletterte von 19,99 auf 29,99 Euro.

Doch ewig ausreizen lässt sich das nicht - man muss im Schnitt günstiger bleiben als die anderen. Pellgrens Fazit: "Die Billigflieger stecken in der Klemme". Die einzige Hoffnung sei es, dass der Ölpreis wieder dauerhaft unter 100 Euro bleibt. "Dann kommt auch die Nachfrage zurück".
So oder so ist der Siegeszug der Billigairlines steckengeblieben. In den 90er Jahren hatten sie ganz Europa aufgemischt, doch mittlerweile sind viele wieder verschwunden. Die klassischen Carrier, die die bunten Konkurrenten erst fürchteten, dann bekämpften, haben mit eigenen Billigangeboten Boden gut gemacht und gleichen die niedrigen Margen mit lukrativen Langstreckentickets aus. Die Hochphase in der Wirtschaftskrise 2008/2009, als viele Unternehmen den Angestellten nur noch Billigtickets bezahlten, ist auch schon wieder vorbei. "Jedes neue Produkt hat einen Lebenszyklus, und für das Produkt Billigflug ist der Markt relativ gesättigt", sagt Experte Hellgren.

Die Folge: Weitere, kleinere Billigairlines dürften demnächst dahingerafft werden. Das gilt jedoch nicht für den Platzhirschen mit seinen 72 Millionen Passagieren: "Weil Ryanair die Geschäftsidee des Billigfliegers bis ins Detail verfeinert hat, wird die Airline nicht gefährdet sein", so Hellgren. "So lange der Ölpreis unter 200 Dollar bleibt".


Quelle: http://www.handelsblatt.com/unternehmen ... 208890=all
Saludos,

Marek!
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